ErFahrung mit dem Hymer Grand Canyon S

Eigentlich kann es uns ja nicht kernig genug sein, wenn wir zum Campen aufbrechen. Sowohl unser Klappdach-Defender Pigpen als auch unser Wohnkabinen-Steyer Mzungu sind für‘s Gelände optimiert und auf Asphalt eher laut, langsam und unkommod. Mzungu ist für europäische Abgasnormen und enge Sträßchen nicht gedacht. Muss man bei Regen oder Kälte länger im Inneren leben, ist es in Pigpen unbequem. Irgendwo dazwischen muss es doch auch noch etwas geben …

Über Silvester geben wir der Lust nach, mal etwas Neues auszuprobieren. Wir testen für 6 Nächte den Kastenwagen Grand Canyon S von Hymer auf Basis des viel gelobten Mercedes Sprinter 4×4.

Das Basisfahrzeug Mercedes Sprinter 4×4

Das Basisfahrzeug gefällt uns gut. Die Automatik schaltet sehr weich und das Fahrzeug ist wendig und leise. Auf Asphalt ist der L2 mit 190 PS auch auf engen Sepentinenstrecken handlich und gutmütig. Auf der Autobahn verbraucht er bei einer Geschwindigkeit um die 120 km/h gut 10 Liter Liter auf 100 km. Das Fahrgeräusch ist trotz der Winterreifen erstaunlich leise. Einzig die Qualität des Hifi-Systems finden wir „katastrophal“.

Den Allrad testen wir nur relativ kurz auf einer verschneiten Nebenstrecke und auf einem vereisten Parkplatz. Hier agiert die Elektronik souverän und unaufgeregt, und wir spüren kaum, dass sie eingreift. Es ist die alte Frage, wieviel Allrad und Bodenfreiheit braucht man wirklich?

Das Konzept Kastenwagen

Das Konzept Kastenwagens ist für uns Premiere und überzeugt uns. Der Grundriss ist “Standard”. Gegenüber der Schiebetüre befindet sich die Sitzbank mit Tisch und drehbaren Sitzen im Fahrerhaus. Daneben Toilette und Dusche. Gegenüber, an der Schiebetür, befinden sich Gasherd, Spüle und Kühlschrank. Geschlafen wird hinten quer. Wir kommen überall hin, wohin auch ein PKW kommt (geht mit Mzungu nicht) und können bei einer Pause im Wagen sitzend einen Kaffee trinken (geht mit Pigpen nicht). Die Heizung macht alles kuschelig warm – die Luftheizung macht sogar eine überraschend angenehme Wärme. Es zieht zwar kühl von den Fenstern und insbesondere der Schiebetüre, aber die Feuchtigkeit im Fahrzeug hält sich in Grenzen. Einer kann gemütlich schlafen und der andere kann sich ohne Einschränkung Tee kochen und lesen. Wir können duschen und sind dennoch geländegängig. Selber Kochen klappt prima und auswärts Essen geht ebenfalls, weil man überall parken kann. Es ist super gemütlich, wohnlich und wir genießen das Vanlife. Einziger Nachteil: Im Container verschiffen kann man den Grand Canyon S nicht mehr.

Quality á la Hymer

Bereits auf den ersten hundert Kilometern Autobahnasphalt nervt uns leider die Verarbeitungsqualität von Hymer. Alle Fenster, die im Wohnmobil üblichen Plissees und die Schrankklappen rappeln. Letzteres ist kein Wunder, da einfachste Filmscharniere aus Kunststoff verbaut sind.

Auch konzeptionell haben wir etwas besseres erwartet von einem Serienhersteller mit langjähriger Erfahrung.

Abends angekommen am Ziel, wollen wir uns erst Mal einen Tee machen und etwas essen. Es ist schon dunkel und wir suchen die Lichtschalter der LED-Leisten. Diese befinden sich konsequent unpraktisch an der entfernten Seite und nicht dort, wo man sie gut erreichen könnte. Wir klappen den Tisch hoch und stellen fest, dass das Polster zu groß ist und der Tisch jedes Mal am Polster hängen bleibt. Die Garderobe befindet sich gegenüber dem Gasherd direkt am Durchgang zu Bad, Kühlschrank und Bett. Zum Kochen sind unsere Winterjacken im Weg und wir räumen sie ins Bad. Zum Duschen packen wir sie zurück an die Garderobe. Wir wollen noch ein wenig lesen, bevor wir ins Bett gehen. Christoph sitzt auf der Sitzbank, Ina hat den Fahrersitz gedreht. Ein Leselicht gibt es dort leider nicht und so quetschen wir uns nebeneinander auf die Sitzbank und rutschen mit dem nicht befestigten Sitzpolster immer weiter runter. Wir sind müde und drücken uns vorbei an den Winterjacken Richtung Bett. Ina braucht zwei Anläufe, bis sie hinein kommt, denn eine Trittstufe ist Fehlanzeige. Als wir gerade gut liegen, pustet die Luftheizung durch den Ausströmer an der Hecktüre Ina auf den Kopf – Christoph tritt versehentlich gegen das Ladegerät, das an der einzigen 230V Steckdose eingesteckt ist, die am Fußende des Betts horizontal in dieses hineinragt. Wir sind vom Ausbau sehr enttäuscht, bedauern alle Käufer, die für dieses Fahrzeug eine sechsstellige Summe ausgegeben haben, und hoffen, dass im aktuellen Modell nachgearbeitet wurde.

Wo sind wir gewesen?

Zuerst waren wir in Fieberbrunn https://tirol-camp.at/ Der Platz ist recht groß, die Stellpätze sind eher klein, aber es gibt ein nett aussehendes Schwimmbad. Alles ist sehr touristisch – da der Platz nah an einer Skipiste liegt, ist es außerdem rappelvoll. Wir haben Glück, denn es gibt einen heimeligen und gemütlichen Wintermarkt rund um das Aussenbecken des Schwimmbads mit Chili, Glühwein und Kunsthandwerk. Daher bleibt die Küche kalt und wir genießen den perfekten Einstieg in eine entspannte Zeit.

Das Alpencamp in Kötschach-Mauthen ist ein Traum. Hier fühlen wir uns so richtig wohl. Wir nutzen die Sauna und quatschen viel mit Sepp, dem man anmerkt, dass der Platz seine Herzensangelegenheit ist. Der Familienbetrieb hat sich der Nachhaltigkeit und dem ökologischen Wirtschaften verschrieben. Das EU-ECO-Label ist nur eines der vielen Auszeichnungen und Zertifikate. Solarthermie und Photovoltaik sind selbstverständlich und E-Carsharing wird ebenfalls angeboten. Das alles mit familiärem Ambiente in traumhafter Natur am Fuße des Polinik bei knackig kalten Temperaturen und mitten im Schnee. Wir sind insgesamt 3 Nächte hier kommen bestimmt wieder.

Der Wendepunkt unseres Kurztrips ist der Campingplatz Arena Grand Kažela in Medulin. Der Platz ist riesig, modern und touristisch. Es ist alles da, was man braucht, aber das gesamte Ambiente ist eher kühl. Wir haben uns einen großen Stellplatz direkt am Wasser gegönnt und sitzen Abends bei milden Temperaturen mit Lichterkette draußen und lauschen der Brandung. Es ist erfrischend wenig los. Wir möchten uns nicht vorstellen, wie voll es in der Saison ist. Über Silvester ist es ganz nett, aber wir mögen es heimeliger.

Wir hatten die ganze Zeit Wahnsinnsglück mit dem Wetter. Wir haben mehrfach in der Sonne gesessen, Kaffee getrunken, Kuchen gegessen und gechillt. Wir sind ausgiebig spazieren gegangen und haben Kurz-Wanderungen unternommen zum Gasthof Lamprechtbauer und zum Eispark Osttirol – zur Felsenkapelle Gschlößtal haben wir es nicht geschafft, da wir (noch) keine Schneeschuhe (dabei) hatten. Wir haben im Auto gechillt und gekocht. Unser erstes Wintercamping hat uns super gefallen. Alles in allem war es ein Traumurlaub mit viel Erholung.