Bergen wie die Profis

Mzungu will im Dreck spielen – dafür wurde er ursprünglich gebaut und dafür haben wir ihn gekauft. Aber was tun, wenn sich 9 Tonnen im Dreck festfahren und niemand in der Nähe ist, der sie aus dem Dreck ziehen kann? Eine Seilwinde wäre klasse, hilft aber auch nicht immer – insbesondere dann nicht, wenn der Weg raus aus dem Dreck nach hinten geht oder es keinen Anschlagspunkt gibt, der 9 Tonnen Zug standhält.

Daher gehören zu unserem Bergematerial neben Wagenheber, Rüstholz, Sandblechen, Unterstellbock, Seilen und Schäkel seit kurzem auch zwei Hebekissen.

Hebekissen sind aufblasbare Luftkissen aus einer widerstandsfähigen Kunststoffmischung. Ihr Vorteil liegt in der geringen Einschubhöhe gegenüber gewöhnlichen Wagenhebern und der großen Auflagefläche, die besonders bei weichem Untergrund eine Hilfe ist. Generell wird zwischen Niederdruck- und Hochdruck-Hebekissen unterschieden. Niederdruck-Hebekissen werden mit einem Druck von 1 bar beaufschlagt und haben eine große Oberfläche, um die gleiche Kraft aufzubringen wie Hochdruck-Hebekissen, die mit 8 bar arbeiten. Druck x Fläche = Kraft: Physik kann auch ganz einfach sein. Wir haben uns für Hochdruck-Hebekissen etschieden, da der Luftpresser von Mzungu uns souverän 8 bar liefert und wir Platz sparen möchten. Die Heckgarage und die Aussenstaufächer sind zwar riesig, aber schon gut gefüllt (siehe hier). Hochdruck-Hebekissen werden auch von der Feuerwehr und dem THW eingesetzt, und man bekommt sie relativ günstig über eBay, wenn sie vom professionellen Einsatz ausgemustert werden. Wir hatten Glück und haben für 550 EUR ein Set mit zwei Hebekissen, Druckregler und den notwendigen Schläuchen erstanden.

In der Theorie klingt es ganz einfach: Mzungu bleibt im Dreck stecken, die Hebekissen kommen unter die Achse und Mzungu wird so weit angehoben, dass die Reifen vom Boden abheben, wir Sandbleche unterlegen und souverän aus dem Dreck rausfahren können.

Aber jetzt ist erstmal eine Trockenübung angesagt, um im Notfall zu wissen, was wir tun. Zunächst Fahrzeug mit einem Keil gegen Wegsollen schützen – safety first. Dann die Kissen mit ihren Schläuchen an der drucklosen Regelanlage anschließen und unter der Achse positionieren. Danach den Versorgungsschlauch erst an die Regelanalge, dann bei laufendem Motor am externen Anschluss der Reifendruckregelanlage von Mzungu anschließen und dann den Luftdruckhahn öffnen. OK, beim ersten Mal haben wir es umgekehrt gemacht: Luftdruckhahn geöffnet, Schlauch angeschlossen und hektisch den Luftdruckhahn wieder geschlossen, weil der Schlauch lustig durch die Luft getanzt ist. Das hätte schmerzhaft werden können – wieder etwas gelernt. Ina positioniert noch die Kamera und jetzt werden ganz langsam die Kissen gefüllt. Einmal müssen wir kurz pausieren, weil der Luftpresser das System wieder füllen und wir das Rüstholz zum Schutz der Kissen richtig positionieren müssen. Das alles geht viel schneller als gedacht und das Zeitraffer-Video war definitiv die falsche Wahl. Nach nicht mal einer Minute schwebt Mzungu mit einem Reifen in der Luft und wir sind schwer beeindruckt. Einmal ums Auto laufen, Fotos machen, sich freuen und alles wieder wegpacken.

Fazit: Die Trockenübung haben unsere gebrauchten Hebekissen super gemeistert. Eigentlich hofft man ja nie, sich festzufahren. Andererseits freuen wir uns darauf, die Kissen irgendwann wirklich und richtig zu brauchen. Mal sehen, was der Sommerurlaub bringt … und hoffentlich sind wir dann entspannt genug, um Fotos zu machen.

UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer und Rückfahrt

Wir erreichen mit Delfzijl den auf dieser Reise ersten Ort am niederländisch-deutschen Wattenmeer. Während Christoph mit der Nordsee lange Sandstrände verbindet, ist für Ina die Kindheitserinnerung das Wattenmeer. Das eigentliche Watt wird bei Flut überschwemmt und präsentiert bei Ebbe seinen typischen graubraunen Schlick. Algen, Wattschnecken, Wattwürmer, Muscheln sowie Watt- und Wasservögel – das Watt ist ein ganz eigenes Ökosystem, das man am besten im Rahmen einer Wattführung barfuß oder in Gummistiefeln kennenlernt.

Das Wetter in den vergangenen Tagen war ein echter Traum. Jetzt sind wir froh, auch warme Jacken dabei zu haben. Es ist bewölkt, 15 Grad kalt und windig. Dennoch treibt es uns raus. Wir lieben es, durch den Wind am Meer spazieren zu gehen. Es fängt an zu regnen und wir besuchen das Aquariums-Museum.

Das Museum zeigt einerseits die Bewohner des Meeres in Aquarien mit Nachbildungen der örtlichen Küstenstruktur und des Meeresbodens. Einige Aquarien erscheinen leer und erst wann man genau hinschaut, entdeckt man Fische an den Steinen oder Krabben im Kies. Außerdem gibt es Informationen zum Schutz des Wattenmeeres und der positiven Entwicklung der letzten Jahre. Spannend ist die Tatsache, dass das Aquarium in einem ehemaligen Bunker untergebracht ist. Hier gibt es Infotafeln mit Bildern und Texten über die Zeit des zweiten Weltkriegs und die Deutsche Armee, weil Delfzijl eine wichtige Rolle spielte in der Verteidigung der Mündung der Ems. Im modernen Museumsgebäude sind Fossilien und Muscheln ausgestellt. Auch über die Entstehung der Erde und der Meere gibt es Schaukästen und Videos. Schiffsmodelle und allerlei nautische Geräte runden die sehr vielfältige Ausstellung ab. Ganz nach dem Motto „Reisen bildet“ gibt es ein Kuriositäten-Kabinett. In solchen Schränken wurden ab dem 16. Jahrhundert Gegenstände von weit entfernten Orten präsentiert, die in Europa noch niemand gesehen hat und nichts darüber in der Bibel gelesen hat.

Mittlerweile stürmt und regnet es und wir verkriechen uns in Mzungu – schließlich haben wir ein unendlich gemütliches Ess- und Wohnzimmer dabei, in dem man prima einen Abend quatschen und lesen kann – und wir haben ja auch noch Käse, Kracker und Dipp aus Dokkum und einen guten Wein von zu Hause. Einen Fernseher brauchen wir nicht.

Ina möchte weiter nach Bensersiel. Was für ein Wahnsinn mit Mzungu in der Hauptferienzeit. Aber wenn sich Frau etwas wünscht… Also muss sich Mzungu ein weiteres Mal zwischen die weiße Ware eines Campingplatzes quetschen. Er versucht den Bauch einzuziehen und nicht aufzufallen, was ihm nicht wirklich gelingt.

Auf dem Weg dorthin machen wir noch einen Abstecher nach Papenburg und besuchen die Meyer Werft. Dazu haben wir einen eigenen Bericht geschrieben.

In Bensersiel können wir endlich richtig im Watt spazieren gehen. Da das Wetter viel besser ist als erwartet, sind wir den ganzen Tag draußen – im Watt, auf dem Deich, im Hafen, im Café, in unseren Klappsesseln vor Mzungu. Wir genießen jeden Sonnnenstrahl, auch wenn es kühl und windig ist. Wir lassen es uns richtig gut gehen.

Das Highlight sind der Hafen und die Fischbrötchen an der Imbissbude im Hafen, denn der Fisch ist fangfrisch vom Schiffskutter gegenüber im Hafenbecken. Die Wertschöpfungskette vom Fischfang über die Weiterverarbeitung und den Verkauf ist hier vollständig in einer Hand. Ganz anders als bei der sonst üblichen Massenverarbeitung von Nordseegarnelen. Diese werden zwar fangfrisch an Bord in Seewasser gekocht, dann aber in Kisten verpackt und gekühlt. Das pulen geschieht wegen der Hygienevorschriften in Deutschland nicht mehr händisch. Selbst die maschinelle Schälung ist hierzulande teurer, als die Krabben nach Marokko oder Polen zu transportieren, dort händisch zu schälen und wieder nach Deutschland zu schicken. Was für ein Wahnsinn …

Abends klettern wir auf‘s Dach von Mzungu und genießen mit Pullis und in Jacken eingekuschelt den Sonnenuntergang bei einem Glas Weißwein. Mzungu rappelt sich stolz zu voller Größe auf. Unten machen ein paar Camper dumme Kommentare, die der Wind gnädig wegträgt. Wir verabschieden uns traurig von der Nordsee. Es war schön und wir sind entspannt und erholt wie lange nicht.

Es geht zurück über Kassel und Fulda nach München. Wie schon bei der Anreise, nehmen wir uns auch auf dem Rückweg etwas mehr Zeit und bleiben über Landvergnügen eine Nacht auf einer Alpaka-Farm. Die flauschigen Tiere sind eher scheu und mögen es gar nicht gerne, gekuschelt zu werden. Also halten wir Abstand und genießen den Anblick und die Ruhe, die die Tiere ausstrahlen. Bis zum Winter sollte aus der gekauften Wolle noch eine Mütze werden, aber auch hier hatte das Leben etwas anderes mit uns vor…

Im Regen und bei trübem Wetter geht es endgültig nach Hause und der Alltag wird uns wie immer zu schnell einholen.

Zeeland

Wir cruisen gemütlich vom Ruhrgebiet zur Grenze und weiter über die Autobahn an die Nordsee-Küste ganz im Süden der Niederlande. 270 km und keine einzige Strassenbaustelle. Ganz selten zähfliessender Verkehr, kein Stau. Die Anzahl der Straßenschilder und Regelungen je Kilometer ist signifikant geringer als in Deutschland. Entspanntes Fahren in Reinkultur. Dieses Bild wird sich in den nächsten Tagen auf den 800 km durch die Niederlande nicht ändern. Ganz anders als in Deutschland: Wir sind auf der Rückfahrt gerade ein paar hundert Meter zurück in Deutschland, und schon fahren wir mehrere Kilometer durch eine Baustelle, an der nicht gearbeitet wird, ja nicht mal Arbeitsmaschinen stehen. Was um alles in der Welt machen wir in Deutschland eigentlich falsch? Oder anders herum: was können wir von den Niederlanden lernen?

Geplant sind auf diesem Tripp erstmal Dünen, Sandstrand und Meer. Nach der etwas längeren Anfahrt geht es heute am späten Nachmittag endlich das erste Mal ans Meer. Wir laufen über die Dünen und durch den Sand, planschen mit nackten Füßen im Wasser herum und kommen langsam mental an – der eigentliche Urlaub kann beginnen. Wir laufen gemütlich am Meer entlang und durch die Dünen zurück. Es ist zwar nicht überfüllt, aber es ist quirlig viel los. Hauptsaison an der Nordsee. Für Ina eher unbekannt, denn an der Nordsee war sie als Kind meist über Ostern. Für Christoph ist es das bekannte Gefühl von Sommerferien. Es fehlen nur noch Frikandeln und Pommes Special zu seinem Glück. Da kann dem Mann geholfen werden.


Es regnet fast die ganze Nacht und am Morgen nieselt es leicht. Nach unserem Frühstück in Mzungu mit Milchkaffee und aufgeschäumter Milch sowie frisch aufgebackenen Bagels mit Frischkäse und Lachs geht es trotzdem in die Dünen und ans Meer. Heute ist kaum jemand unterwegs. Der Wind fährt uns durch die Haare und der Regen prasselt leise auf die Anoraks. Das ist die Nordsee, wie Ina sie aus ihrer Kindheit kennt und liebt. Urlaubsfeeling pur – und langsam setzt auch die Entspannung ein.

Wir fahren weiter am Meer entlang über die Halbinseln im Westen der Niederlande nach Norden.

Nach wenigen Kilometern geht es über den Oosterscheldedam. Hier können 62 stählerne Tore bei drohendem Hochwasser geschlossen werden. Im Normalfall sind diese geöffnet und die Gezeiten werden nicht beeinträchtigt. Das ganze ist ein beeindruckendes technisches Bauwerk, das die Region schützen soll. Eine Besichtigung ist leider heute nicht möglich, daher geht es für uns weiter entlang der See.

Wir fahren immer weiter Richtung Norden und erreichen den Brouwersdam. Ohne Regen wäre es hier sicher traumhaft schön. Man darf an der gesamten Strecke tagsüber neben der Straße parken, und so reiht sich hier trotz des Wetters ein Wohnmobil an das nächste. Alle mit genialem Ausblick aus der ersten Reihe auf’s Meer. Auch wir genießen die sehenswerte Strecke, die das Grevelingenmeer von der Nordsee trennt. Nach einem kurzen Sightseeing-Stopp beeilen wir uns, durch den Regen ins Strandcafé Zee zu kommen. Das Café ist phantastisch; irgendwie modern und dennoch urig. Und wir haben das große Glück, noch einen Platz zu bekommen. Corona scheint es hier nicht zu geben – keine 3G-Regel, keine Masken, kein Abstand, keine Registrierung. Eigentlich wollen wir nur eine heisse Schokolade mit Sahne trinken, aber das Essen an den Nachbartischen sieht unglaublich lecker aus und es ist eh gerade Mittagszeit. Also bleibt die Küche in Mzungu heute kalt und wir essen auswärts. Eine gute Entscheidung, denn es schmeckt phantastisch.

Es regnet noch immer. Ununterbrochen. Mal nieselt es, mal schüttet es. Wir fahren über die Autobahn durch Zuid-Holland weiter direkt nach Alkmaar und relaxen bei Tee und Espresso den restlichen Tag auf einem Stellplatz in der Nähe der Stadt. Ab morgen soll hier schönes Wetter sein. Noch sind wir skeptisch, aber lest selbst wie es weiter geht …