UNESCO Weltnaturerbe Wattenmeer und Rückfahrt

Wir erreichen mit Delfzijl den auf dieser Reise ersten Ort am niederländisch-deutschen Wattenmeer. Während Christoph mit der Nordsee lange Sandstrände verbindet, ist für Ina die Kindheitserinnerung das Wattenmeer. Das eigentliche Watt wird bei Flut überschwemmt und präsentiert bei Ebbe seinen typischen graubraunen Schlick. Algen, Wattschnecken, Wattwürmer, Muscheln sowie Watt- und Wasservögel – das Watt ist ein ganz eigenes Ökosystem, das man am besten im Rahmen einer Wattführung barfuß oder in Gummistiefeln kennenlernt.

Das Wetter in den vergangenen Tagen war ein echter Traum. Jetzt sind wir froh, auch warme Jacken dabei zu haben. Es ist bewölkt, 15 Grad kalt und windig. Dennoch treibt es uns raus. Wir lieben es, durch den Wind am Meer spazieren zu gehen. Es fängt an zu regnen und wir besuchen das Aquariums-Museum.

Das Museum zeigt einerseits die Bewohner des Meeres in Aquarien mit Nachbildungen der örtlichen Küstenstruktur und des Meeresbodens. Einige Aquarien erscheinen leer und erst wann man genau hinschaut, entdeckt man Fische an den Steinen oder Krabben im Kies. Außerdem gibt es Informationen zum Schutz des Wattenmeeres und der positiven Entwicklung der letzten Jahre. Spannend ist die Tatsache, dass das Aquarium in einem ehemaligen Bunker untergebracht ist. Hier gibt es Infotafeln mit Bildern und Texten über die Zeit des zweiten Weltkriegs und die Deutsche Armee, weil Delfzijl eine wichtige Rolle spielte in der Verteidigung der Mündung der Ems. Im modernen Museumsgebäude sind Fossilien und Muscheln ausgestellt. Auch über die Entstehung der Erde und der Meere gibt es Schaukästen und Videos. Schiffsmodelle und allerlei nautische Geräte runden die sehr vielfältige Ausstellung ab. Ganz nach dem Motto „Reisen bildet“ gibt es ein Kuriositäten-Kabinett. In solchen Schränken wurden ab dem 16. Jahrhundert Gegenstände von weit entfernten Orten präsentiert, die in Europa noch niemand gesehen hat und nichts darüber in der Bibel gelesen hat.

Mittlerweile stürmt und regnet es und wir verkriechen uns in Mzungu – schließlich haben wir ein unendlich gemütliches Ess- und Wohnzimmer dabei, in dem man prima einen Abend quatschen und lesen kann – und wir haben ja auch noch Käse, Kracker und Dipp aus Dokkum und einen guten Wein von zu Hause. Einen Fernseher brauchen wir nicht.

Ina möchte weiter nach Bensersiel. Was für ein Wahnsinn mit Mzungu in der Hauptferienzeit. Aber wenn sich Frau etwas wünscht… Also muss sich Mzungu ein weiteres Mal zwischen die weiße Ware eines Campingplatzes quetschen. Er versucht den Bauch einzuziehen und nicht aufzufallen, was ihm nicht wirklich gelingt.

Auf dem Weg dorthin machen wir noch einen Abstecher nach Papenburg und besuchen die Meyer Werft. Dazu haben wir einen eigenen Bericht geschrieben.

In Bensersiel können wir endlich richtig im Watt spazieren gehen. Da das Wetter viel besser ist als erwartet, sind wir den ganzen Tag draußen – im Watt, auf dem Deich, im Hafen, im Café, in unseren Klappsesseln vor Mzungu. Wir genießen jeden Sonnnenstrahl, auch wenn es kühl und windig ist. Wir lassen es uns richtig gut gehen.

Das Highlight sind der Hafen und die Fischbrötchen an der Imbissbude im Hafen, denn der Fisch ist fangfrisch vom Schiffskutter gegenüber im Hafenbecken. Die Wertschöpfungskette vom Fischfang über die Weiterverarbeitung und den Verkauf ist hier vollständig in einer Hand. Ganz anders als bei der sonst üblichen Massenverarbeitung von Nordseegarnelen. Diese werden zwar fangfrisch an Bord in Seewasser gekocht, dann aber in Kisten verpackt und gekühlt. Das pulen geschieht wegen der Hygienevorschriften in Deutschland nicht mehr händisch. Selbst die maschinelle Schälung ist hierzulande teurer, als die Krabben nach Marokko oder Polen zu transportieren, dort händisch zu schälen und wieder nach Deutschland zu schicken. Was für ein Wahnsinn …

Abends klettern wir auf‘s Dach von Mzungu und genießen mit Pullis und in Jacken eingekuschelt den Sonnenuntergang bei einem Glas Weißwein. Mzungu rappelt sich stolz zu voller Größe auf. Unten machen ein paar Camper dumme Kommentare, die der Wind gnädig wegträgt. Wir verabschieden uns traurig von der Nordsee. Es war schön und wir sind entspannt und erholt wie lange nicht.

Es geht zurück über Kassel und Fulda nach München. Wie schon bei der Anreise, nehmen wir uns auch auf dem Rückweg etwas mehr Zeit und bleiben über Landvergnügen eine Nacht auf einer Alpaka-Farm. Die flauschigen Tiere sind eher scheu und mögen es gar nicht gerne, gekuschelt zu werden. Also halten wir Abstand und genießen den Anblick und die Ruhe, die die Tiere ausstrahlen. Bis zum Winter sollte aus der gekauften Wolle noch eine Mütze werden, aber auch hier hatte das Leben etwas anderes mit uns vor…

Im Regen und bei trübem Wetter geht es endgültig nach Hause und der Alltag wird uns wie immer zu schnell einholen.

Abstecher zur Meyer Werft in Papenburg

Wir haben uns für eine Führung “Auf eigene Faust” für die Meyer Werft in Papenburg angemeldet. Die Werft ist bei unserer Ankunft bereits zwei Kilometer vor der Abbiegung auf den Besucherparkplatz nicht zu übersehen, denn wir haben das große Glück, dass die AIDA Cosma für 2 Wochen am Ausrüstungspier im Werfthafen liegt.

Die Emsüberführung der AIDA Cosma wird im Oktober 2021 stattfinden. Auf dem 45 km langen Weg von Papenburg in die Nordsee wird sie eine enge Schleuse durchfahren, eine Eisenbahnbrücke wird für sie demontiert werden und eine der größten Klappbrücken der Welt wird sich für sie öffnen. Am Emssperrwerk wird sie die letzte Engstelle passieren, bevor sie am 22.12.2021 ab Hamburg den regulären Betrieb aufnehmen wird. Bei ihrer ersten Weihnachts- und Silvesterreise geht es nach Gran Canaria, wobei die Kreuzfahrtgesellschaft einen ungewöhnlichen Jahreswechsel verspricht. Zumindest war das während unseres Sommerurlaubs noch der Plan. Aber auch hier hat Corona die Pläne durchkreuzt und die AIDA Cosma hat ihren regulären Betrieb jetzt, im Januar 2022, noch nicht aufgenommen.

Die AIDA Cosma wird mit Flüssiggas (LNG) angetrieben, ein Antriebssystem, bei dem die Meyer-Werft weltweit führend ist. Beeindruckend finden wir, dass in 2050 alle neuen Schiffe vollständig mit regenerativer Energie angetrieben werden sollen. Damit sind wir nach knapp 270 Jahren quasi wieder dort angekommen, wo nach den Segelschiffen mit dem ersten Dampfschiff die Geschichte der Schiffahrt mit fossilen Brennstoffen anfing.

Die Geschichte der Meyer Werft hat viele spannende Highlights zu bieten.

Sie nimmt im Jahr 1795 als Holzschiffwerft auf dem Gelände der ehemaligen Papenburg ihren Anfang. 1876 wurde das erste Stahlschiff von der Werft gebaut – in Deutschland eine Premiere, da man nicht glaubte, dass Stahl schwimmen kann.

Auch das vielen bekannte Kriegsschiff Götzen wurde 1913 in der Meyer-Werft gebaut. Das Dampfschiff wurde zerlegt, in 5.000 Kisten in die Kolonie Deutsch-Ostafrika transportiert und verkehrt dort heute nach sehr bewegter Geschichte als Passagier- und Frachtschiff Liemba auf dem Tanganjikasee. Der Teil deutscher Kolonialgeschichte ist in dem Roman „Eine Frage der Zeit“ von Alex Capus wundervoll lebendig beschrieben und ein absoluter Buchtip. Einmal mit der Liemba zu fahren ist seit Jahren ein großer Traum von uns, den wir uns eines Tages erfüllen werden und von dem wir dann auch hier berichten werden. Bleibt also dran 😉

In den letzten Kriegswochen des 2. Weltkriegs wurde das Feuerschiff Elbe 1 von Werftmitarbeitern in der Elbe versenkt, um es vor den Luftangriffen der Alliierten zu schützen, nachdem der Bau sich seit 1939 wegen dem Stopp aller zivilen Schiffbauaufträge durch die Nationalsozialisten bereits viele Jahre dahingeschleppt hatte. Wenige Monate nach Kriegsende wurde die Elbe 1 gehoben, 1948 mit Genehmigung der Besatzungsmächte ausgeliefert und neun Jahre nach ihrem Baustart in Dienst gestellt. Seit 1988 gibt es keine Feuerschiffe mehr an der Elbmündung vor Cuxhaven und auch die Elbe 1 wurde außer Dienst gestellt. Nach dieser bewegten Geschicht ist die Elbe 1 heute ein Museumsschiff.

1976 wurde das Werftgelände zu klein und der Zugang zur Elbe zu schmal für den Grossauftrag russischer Gastanker. Das Unternehmen zog um auf das heutige Gelände. 1985 baute die Mayer-Werft ihr erstes Kreuzfahrtschiff und ist heute einer der Weltmarktführer in diesem Segment.

In Papenburg arbeiten nur 3.450 feste Mitarbeiter – wir finden das unglaublich wenig für die Anzahl der Schiffe, die jedes Jahr die Werft verlassen. Wir finden es auch spannend, dass die Werft bereits 19 Monate nach Beauftragung mit dem Bau eines Kreuzfahrtschiffs beginnt und es bereits nach 36 Monaten ab Auftrag ausliefert. Die Entwicklung eines weitaus weniger komplexen Autos dauert länger – zumindest bei allen etablierten europäischen OEMs.

Auf der selbstgeführten Tour können wir auch einen Blick in die größte überdachte Schiffsbauhalle der Welt werfen. Hier werden parallel zwei Schiffe gebaut. Mit einer Höhe von 75 Metern würden das Brandenburger Tor und der Reichstag übereinander in die Halle passen. Der größte Kran in der Halle kann 800 Tonnen heben, was 150 ausgewachsenen Elefanten entspricht. Mit diesem Kran werden vorgefertigte Elemente, z.B. komplette Kabinenmodule oder die gesamte Brückensektion auf die Schiffsbasis gehoben.

Insgesamt ist die Tour interessant und wirklich gut gemacht. Wir sind extrem beeindruckt und haben viel gelernt in den 1 1/2 Stunden. Der Besuch der Werft ist ein absoluter Tipp für alle, die in der Nähe Urlaub machen.

Friesland

Der Afsluitdijk, der Noord-Holland und Friesland verbindet, ist mehr als 30 Kilometer lang und trennt das Ijsselmeer von der Nordsee. Offiziell eröffnet wurde das Bauwerk bereits 1933. Die schwarz-weißen Fotos vom Bau am Info-Point sind beeindruckend. In Anbetracht der vergleichsweise einfachen Mittel, die damals zur Verfügung standen, eine bemerkenswerte Leistung.

Wir fahren bis nach Harlingen und genießen einen ruhigen und sonnigen Tag. Über den Deich laufen wir zum Hafen und beobachten Ausflugsschiffe. Wir finden ein nettes Café mit Meerblick, haben Glück, auf der windgeschützten Terrasse noch einen Platz zu ergattern, trinken einen Wein und naschen Nachos. Zum Sonnenuntergang liegen wir am Deich auf der Wiese und schauen auf‘s Meer. Was für ein entspannter Tag.

Gut, dass Christoph etwas mehr Holländisch kann als Ina: Der fangfrische Fisch, der in Harlingen verkauft wird, wird nämlich nicht – wie von Ina vermutet – von einer Dame namens „Elke Zaterdag“ verkauft, sondern „Jeden Samstag“. Wir haben am Mittwoch also nicht lange nach Elke gesucht.

Auf der Weiterfahrt kommen wir an riesigen Wiesen vorbei. Kühe und Rinder haben viel Platz auf ihren Weiden. Alles wirkt sehr idyllisch und wir sind in Urlaubsstimmung.

Die Kleinstadt Dokkum ist ein zufälliger Glückstreffer. Wir haben Lust auf eine Pause, halten spontan auf einem Parkplatz an und bummeln durch den traumhaften Ort. Es gibt zwei Windmühlen und mehrere Klappbrücken über die Gracht, viele alte Gebäude mit Treppengiebeln, eine nette Fussgängerzone, putzige kleine Läden und heimelige Cafés in der Innenstadt sowie auf Pontons in der Gracht. Der Wochenmarkt zieht sich entlang der Fußgängerzone durch den halben Ort. Es gibt Gemüse, Fisch, Käse und vieles mehr. Wir lassen uns von der guten Stimmung anstecken und kaufen Käse, Kräcker und einen Dipp für den Abend. Immer wieder begegnet uns im Ort der Heilige Bonifatius. Dank Google erfahren wir, dass der aus England stammende christliche Priester als Missionar unter anderem in Friesland unterwegs war und benediktinische Klöster gründete. Er wurde über 80jährig wenig gastfreundlich im Jahre 754 bei Dokkum erschlagen. Wir hingegen genießen die Freundlichkeit des Ortes und würden gerne länger bleiben – zum Beispiel auf dem wunderschön anmutenden Stellplatz direkt an der Gracht. Aber wir wollen heute noch weiter Richtung Grenze und das Wetter wird langsam auch wieder schlechter.